Die Politik muss Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass arme Familien Zugang zu gesunden Lebensmitteln haben und sich diese leisten können.
Caritas Wien: Politik muss Eltern bei gesunder Ernährung helfen
Die Empfehlung des österreichischen Kanzlers Karl Nehammer, bei finanziellen Engpässen einen Burger bei McDonald’s zu essen, stieß in der Bevölkerung auf Unverständnis.
Thomas Wochele-Thoma, Allgemeinmediziner, Psychiater, Psychotherapeut und ärztlicher Leiter bei der Caritas Wien, betont, dass es zu einfach ist, die Verantwortung für die gesunde Ernährung der Kinder allein den Eltern zu überlassen.
Im Rahmen eines langen Prozesses haben Vertreter aus Politik und Gesellschaft bereits Vereinbarungen getroffen, um in Österreich bis zum Jahr 2032 zehn Gesundheitsziele umzusetzen. Dabei spielen auch die Themen Ernährung und Gesundheit eine wichtige Rolle. Ziel sechs zielt darauf ab, ein gesundes Aufwachsen für Kinder und Jugendliche zu ermöglichen. Ziel sieben strebt an, eine gesunde und nachhaltige Ernährung für alle Menschen in Österreich zu fördern.
Die Politik hat es bisher nicht geschafft, die intensive Bewerbung von ungesunden Lebensmitteln wie Fastfood und Süßigkeiten zu regulieren, obwohl diese Werbung oft direkt an Kinder gerichtet ist. Dadurch wird fälschlicherweise suggeriert, dass diese Produkte gesund sind, was zu einer Unterschätzung des langfristigen gesundheitlichen Schadens führt. Die Politik sollte dringend Maßnahmen ergreifen, um die Bevölkerung über die Risiken dieser Produkte aufzuklären und die Werbung einzuschränken.
Armut kann zu einem permanenten Stresszustand führen, der sich auch auf die Ernährungsgewohnheiten auswirkt. Menschen in finanzieller Notlage haben oft begrenzte finanzielle Mittel und müssen daher Prioritäten setzen. In solchen Situationen vernachlässigt man oft gesunde Lebensmittel, da sie teurer sind, und greift stattdessen auf billigere, aber ungesündere Optionen zurück.
Wenn man ständig darüber besorgt ist, wie man finanziell über den Monat kommt, belastet das den Körper mit Stresshormonen und kann zu Schlafstörungen, gesundheitlichen Problemen und psychischen Belastungen führen.
Wenn Kinder bereits in jungen Jahren auf fett- und zuckerhaltige Lebensmittel geprägt werden, kann sich ein lebenslanger Teufelskreis entwickeln. Dieser kann nicht nur zu Übergewicht, sondern auch zu Bluthochdruck und Diabetes führen. Das Gehirn gewöhnt sich an diese Inhaltsstoffe und es entsteht eine Suchtdynamik. Es ist äußerst schwierig, aus dieser Spirale auszubrechen, insbesondere wenn man von klein auf darin gefangen ist.
Kinder spüren den Stress, den ihre Eltern aufgrund finanzieller Sorgen empfinden. In finanziell schwierigen Zeiten werden oft soziale Aktivitäten vernachlässigt. Dabei ist es von großer Bedeutung, dass Kinder gesellschaftlich teilhaben, auch wenn dies Kosten verursacht. Langfristig kann dies zu einem Stigma führen, das mit Scham verbunden ist. Bei den Kindern kann dies ebenfalls Stress hervorrufen.
Die Politik sollte Health Literacy als wichtigen Faktor für die Gesundheit der Bevölkerung anerkennen und Maßnahmen ergreifen, um das Bewusstsein für gesunde Lebensweisen zu stärken.
Ein praktisches Beispiel dafür, wie eine gesunde Ernährung in Schulen gefördert werden kann, ist die kostenlose Bereitstellung einer ausgewogenen Pausenmahlzeit. Dadurch erhalten Kinder nicht nur die Möglichkeit, gesunde Lebensmittel kennenzulernen und zu konsumieren, sondern können auch von einer verbesserten Energie und Konzentration während des Unterrichts profitieren, was langfristig ihre schulischen Leistungen und ihren Lebensweg positiv beeinflussen kann.
Trotz der Verfügbarkeit vieler Hilfsangebote nehmen Eltern oft keine Hilfe in Anspruch. Der Grund dafür ist der massiv gestiegene Druck, dem sie ausgesetzt sind. Insbesondere für Familien, die bereits vor der Krise finanzielle Schwierigkeiten hatten, belasten steigende Mieten, Energie- und Lebensmittelpreise die finanzielle Situation zusätzlich. Viele Menschen, die sich an Organisationen wie die Caritas wenden, müssen am Monatsende entscheiden, ob sie ihre Fixkosten bezahlen oder den Kühlschrank auffüllen können.
Die Politik muss ihre Verantwortung wahrnehmen und für eine bessere Durchlässigkeit der gesellschaftlichen Schichten sorgen.
Eine solidarische Gesellschaft sollte sich darauf konzentrieren, die abgehängten Gruppen wieder in die Gesellschaft zu integrieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten und Talente voll zu entfalten. Dazu ist eine verbesserte Durchlässigkeit zwischen den sozialen Schichten und eine gerechte Verteilung von Chancen und Ressourcen erforderlich.
Eine Verantwortung der Politik besteht darin, die finanziellen Barrieren zu überwinden, die es armen Menschen erschweren, sich gesund zu ernähren.